Sich trauen, über Geld zu sprechen

Ob in Blogs und Podcast, bei Anlässen oder privat in ihrem Umfeld – Angela Mygind spricht offen über Finanzen. Im Gespräch mit Descartes verrät sie, wie sie sich dazu überwunden hat, in der Öffentlichkeit aufzutreten und weshalb es wichtig ist, auch für andere Frauen, über das Thema zu sprechen.

Liebe Angela, fangen wir mit einer persönlichen Frage an, um dich etwas besser kennenzulernen: Du führst einen Finanzblog für Frauen, hast über 7’000 Followers, publizierst Podcasts und trittst hin und wieder an Anlässen auf. Wie findest du dich in dieser öffentlichen Rolle, in der du ja auch eine gewisse Vorbildrolle einnimmst, zurecht?

Wenn es möglich wäre, würde ich mich schon lieber online hinter einem Avatar verstecken. Ich stehe nämlich schon nicht so gerne in der Öffentlichkeit. Mirgeht es ja aber darum, zu normalisieren, dass man über Finanzen spricht. Da gehört es für mich dazu, dass man sich zeigt. Es war also von Beginn an eine bewusste Entscheidung, mich nicht zu verstecken. Sichtbar sein hat sich dann normalisiert, und heute muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, ob ich mich zeigen will oder nicht. Aber zu Beginn hielt sich die Aufmerksamkeit ja noch in Grenzen, ich hatte ja nicht gleich tausende Followers. Schritt für Schritt habe ich mich herangetastet und bin gewachsen. Das ist vielleicht ein kleiner Tipp für andere Frauen – es sollten sowieso viel mehr Frauen sichtbar werden.

Ein anderer Tipp ist auch, nicht zu viel denken. Ich bin ja meistens in Formaten zu sehen , wo ich die Leute nicht sehe. Also auf dem Blog oder beim Podcast zum Beispiel. Wenn ich den aufnehme, denke ich nicht darüber nach, wie viele Leute mir zuhören. Sonst würde ich, glaube ich, gar nichts mehr sagen können.

Ich sehe mich nicht als Vorbild, im Sinne von, dass man meinen Entscheidungen folgt. Im Gegenteil, ich habe ja zu Beginn so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Ich möchte einfach andere Frauen dazu ermutigen, offen über Finanzen zu sprechen und sich auszutauschen.

«Ich möchte einfach andere Frauen dazu ermutigen, offen über Finanzen zu sprechen und sich auszutauschen.»

Angela Mygind

Wie sieht dein persönliches Vorsorgemodell denn mittlerweile, nachdem du aus deinen anfänglichen Fehlern gelernt hast, aus?

Ich bin grundsätzlich sehr langweilig unterwegs in meinen Anlagen. Das heisst, ich investiere sehr passiv. Bei der Vorsorge habe ich meine Säule 3a, die mit einem so hohen Anteil wie möglich angelegt ist, so dass die Wertschriften für mich arbeiten. Ich habe das ganze auch automatisiert. Also habe ich eigentlich gar nichts mehr damit zu tun; der Dauerauftrag geht einfach jeden Monat raus.

Wie mache ich den ersten Schritt, um die Kontrolle über die eigenen Finanzen zu gewinnen?

Man sollte die Einnahmen und Ausgaben kennen. Am besten fängt man mit einem Kassensturz an und schaut, wo das Geld hinfliesst. Ideal wäre auch ein Milchbüchlein zu führen und immer aufzuschreiben, wenn man wo etwas verdient oder Geld ausgibt. Dafür gibt es heutzutage ja auch Apps, man muss nicht ständig mit einem Notizbüchlein umherlaufen. Das alles klingt erstmals vielleicht etwas langweilig, aber so kommen oft Punkte zum Vorschein, denen man sich vorher nicht bewusst war. Man erlebt dann so manchen Aha-Moment.

Kann man diese langweiligen Arbeiten nicht einfach zu einem Berater oder einer Beraterin outsourcen? Weshalb ist es besser, die Finanzen selbst in die Hand zu nehmen?

Natürlich kann man sich Unterstützung holen. Allerdings musst du dir bewusst sein, dass wer dich auch immer berät, dich nicht so gut kennt wie du selbst. Schlussendlich ist es auch so, dass du mit den Konsequenzen deiner Finanzentscheide leben musst, und niemand anderes. Deshalb ist es wichtig, dass zumindest ein gewisses Grundverständnis vom Thema vorhanden ist. So kannst du auch einfacher prüfen, ob das, was die Person erzählt, auch stimmt, und ob es zu dir passt.

Die Finanzwelt ist jedoch eine komplexe Umgebung. Sparen, Vorsorge und Investitionen: Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, benötigt man die richtigen Informationen. Wie findet man sich in dieser Welt zurecht?

Ich sage immer: es ist wie eine neue Sprache zu lernen. Du brauchst ein wenig Geduld mit dir selbst. Ich verstehe natürlich, dass viele – gerade auch Frauen – keine Zeit haben, sich am Abend noch hinzusetzen und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Muss es vollständig nebenbei geschehen, kann ich raten, die Social Media Feeds aufzuräumen. Das heißt, dass ich nur noch Kanälen folge, die mir auch etwas bringen. Das muss ja nicht nur Finanzen sein, solange es auch lehrreich und nicht nur Entertainment ist. Wir scrollen ja sowieso, und auf diesem Weg lernen wir häppchenweise immer wieder etwas dazu. Dann gibt es da ja auch noch Podcasts. Ich höre zum Beispiel immer im Auto oder beim Kochen Podcasts. Man kann diese aber auch zum Beispiel beim Sport oder bei anderen Aktivitäten konsumieren. Da kommt noch der Vorteil hinzu, dass man nicht einfach wegschalten kann, wenn man mal zu einer langweiligen Stelle gelangt. So ist man gezwungen zuzuhören und zu lernen.

Das Finanzprogramm muss also zu mir passen. Aber was heisst das genau?

Nur weil ich dir erzähle, wie ich meine 3a und meine Anlagen organisiert habe, heisst das nicht, dass das gleiche Programm auch für dich geeignet ist. Ich habe zum Beispiel keine Familie und kein Haus, und da sieht es dann schon ganz anders aus, für jemanden, der oder die diese Dinge hat.

Es kommt also auf meine Lebensumstände an?

Es ist eine Kombination aus den Lebensumständen und deinen Zielen, wie auch deine persönlichen Präferenzen. Also zum Beispiel stellt sich auch die Frage, wie du zu Risiko stehst. Solche Fragen kannst eben nur du beantworten, weswegen Programme sehr individuell angepasst sind.

Wovor sollte man sich in Acht nehmen, wenn man sich als Laie in die Finanzwelt begibt?

Man sollte Ratschläge und Programme immer mit gesundem Menschenverstand hinterfragen. Meistens, wenn es um schnelles Geld geht und viel Reichtum versprochen wird, würde ich grundsätzlich hellhörig werden. Das sind für mich «Red Flags». Bei Bildern mit Lamborghini und Privatjet sollte man sich überlegen, wer da jetzt genau reich wird.

Dein Blog ist ja nicht nur zur Beratung gedacht, sondern als Vorbild für Frauen, um sie zu motivieren, in die Finanzwelt einzusteigen. Weshalb braucht es das?

Historisch gesehen können in der Schweiz Ehefrauen erst seit 1988 ohne Unterschrift des Ehemannes ein Konto eröffnen. Das ist noch nicht sehr lange her und ein gesellschaftlicher Wandel braucht Zeit. Da macht es Sinn, dass in meiner Generation noch nicht so viele Frauen sich mit Finanzen befassen. Interessanterweise ist es ja so, dass man die Frauen zuerst in die Pflicht nimmt. Es gibt zum Beispiel ein Bundesgerichtsurteil über Scheidungen, das besagt, dass Frauen zu jedem Zeitpunkt in ihrem Leben für ihr Einkommen selbst aufkommen können. Oder auch mit der AHV-Revision, da werden Frauen ja auch wieder in die Pflicht genommen. Ich glaube, das andere folgt ein wenig langsamer. Es wird immer mehr Frauen bewusst, dass sie sich um die Finanzen kümmern müssen. Ich merke zum Beispiel jetzt schon, dass die meisten Frauen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, es tatsächlich spannend finden. Wenn dann die ersten dieser Vorreiter-Frauen auch sichtbar sind, denke ich, wird es einen Dominoeffekt geben, also dass sich die Frauen untereinander anstecken.

Dazu braucht es jedoch nicht nur Vorbilder – auch die Hemmung, über Geld zu sprechen, muss sinken. Wie kann frau in ihrem Freundeskreis das Eis zum Thema brechen?

In der Schweiz wird generell nicht so gern über Geld gesprochen, und Frauen gehören da natürlich dazu. Ich würde sagen, versuch es einfach mal. Du merkst dann schnell, welche Leute überhaupt nicht darüber sprechen wollen. Bei solchen Freunden habe ich dann schnell aufgegeben. Das ist ja mit ein Grund, weshalb ich mit meinem Blog begonnen habe. Ich bin bei vielen meiner Kolleginnen auf taube Ohren gestossen und missionieren wollte ich nicht. Mit meinem Blog hat sich nun auch mein Umfeld verändert. Dann merkte ich plötzlich, diese Person spricht eigentlich gerne darüber, und jene Person spricht zwar nicht so gerne darüber, aber investiert auch.

Sollte es im eigenen Umfeld gar nicht gehen, so kann man auch auf Social Media Communities von Gleichgesinnten finden. Da werden dann auch Treffen und ähnliches organisiert. Grundsätzlich würde ich aber sagen, einfach mal stinkfrech das Thema ansprechen.

Abschliessend will ich dir eine Frage stellen, die mir bei deinen #womensupportwomen Interviews aufgefallen ist. Was bedeutet Geld für dich?

Freiheit. Ich sage immer, Geld per se ist mir nicht wichtig. Es geht mir eher darum, eine Wahl zu haben und Geld ermöglicht mir das. Du kannst dann machen was du willst und kannst auch mal Nein sagen und eine Situation verlassen, in der du dich nicht wohlfühlst. Geld ist immer nur Mittel zum Zweck. Das, was ich will, ist ein angenehmes Leben. Dazu braucht man nun mal Geld. Und ich versuche, das Geld, das ich besitze, so effizient wie möglich einzusetzen.

Danke!

Angela Mygind ist Direktionsassistentin und Finanzbloggerin. Ohne beruflichen Bezug zur Finanzbranche hat sie vor ein paar Jahren ihre Finanzplanung selbst in die Hand genommen und dabei festgestellt, dass viele Frauen das Thema vernachlässigen. Seither schreibt sie auf missfinance.ch in einfachen Worten über Frauen und Finanzen, die Börsenwelt und die Schweizer Altersvorsorge. Ihr Anliegen: Frauen für das Thema begeistern und Leichtigkeit in die Finanzen bringen.