Angst vor Kapitalverzehr in der Pensionierung: Ursachen verstehen, Sicherheit gewinnen
Der Übergang in die Pensionierung ist nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein psychologischer Einschnitt. Für viele Menschen – selbst für finanziell gut aufgestellte – stellt sich in dieser Phase eine zentrale Frage: Wird mein Kapital reichen?
Die Angst vor dem Kapitalverzehr ist weit verbreitet und oft tiefer verwurzelt, als Zahlen oder Planungen vermuten lassen. Das sind Gründe für die Ängste und Unsicherheiten:
Mentaler Wechsel: vom Sparen zum Verbrauchen
Über Jahrzehnte hinweg liegt der Fokus auf Vermögensaufbau. Sparen, investieren, absichern. Die Entnahmephase verlangt eine 180-Grad-Wende: Statt aufzubauen, wird Kapital schrittweise aufgelöst. Dieser Perspektivenwechsel widerspricht tief verankerten finanziellen Gewohnheiten – und löst bei vielen das Gefühl aus, an Substanz zu verlieren, selbst wenn die Entnahme Teil eines soliden Plans ist.
Die Unsicherheit der Lebensdauer
Einer der grössten Unsicherheitsfaktoren in der Pensionsplanung ist die eigene Lebenserwartung. Wer mit 65 in Rente geht, muss potenziell 30 oder mehr Jahre finanzieren. Diese Ungewissheit verstärkt die Angst, das Kapital könnte nicht ausreichen – insbesondere bei langfristigen Entnahmehorizonten wie im Rahmen von Frühpensionierung oder FIRE (Financial Independence, Retire Early).
Marktschwankungen und das Sequenzrisiko
Die Finanzmärkte unterliegen Schwankungen. Treten gleich zu Beginn der Pensionierungsphase negative Renditen auf, während Kapital bezogen wird, spricht man vom sogenannten Sequence of Returns Risk. Frühzeitige Verluste können das Vermögen langfristig belasten, da weniger Kapital übrig bleibt, um sich wieder zu erholen. Diese Situation verstärkt das subjektive Unsicherheitsgefühl – unabhängig von der durchschnittlich erwarteten Rendite.
Ausgaben sind konstant, Einnahmen aber variabel
Fixkosten wie Miete, Krankenkassenprämien oder Lebenshaltungskosten bleiben konstant und planbar – das investierte Vermögen hingegen schwankt. Diese strukturelle Asymmetrie kann zu dem Gefühl führen, «nicht kalkulieren zu können». Die Folge: Ein latentes Gefühl der Unsicherheit, selbst bei guter Kapitalausstattung.
Strategien zur Beruhigung und Absicherung
Diese Ansätze helfen im Umgang mit Ängsten zum Kapitalverzehr:
Liquiditätspolster
Ein Notgroschen für zwei bis drei Jahre laufender Ausgaben ermöglicht es, Marktkorrekturen ohne Kapitalverkäufe zu überstehen – und reduziert damit die emotionale Belastung.
Dynamische Entnahmeregeln
Strategien mit variabler Entnahme – etwa sogenannte Guardrails – passen die jährliche Auszahlung an die Marktlage an. Dadurch lässt sich das Kapital besser schützen.
Kombination mit planbaren Einkommen
AHV, Pensionskassenrenten oder Lebensversicherungen können als stabiles Einkommen dienen – und so die Abhängigkeit vom investierten Kapital mindern.
Professionelle Finanzplanung
Ein fundierter Entnahmeplan, ergänzt durch konservative Simulationen, schafft Vertrauen in die eigene Strategie – und reduziert die Angst vor unkontrolliertem Kapitalabbau.
Struktur gibt Sicherheit
Die Angst vor dem Kapitalverzehr ist kein Zeichen mangelnder Vorbereitung. Sie ist Ausdruck eines sehr menschlichen Bedürfnisses nach Sicherheit. Mit der richtigen Planung, einem durchdachten Mix aus garantierten und investierten Mitteln sowie klar definierten Entnahmestrategien lässt sich diese Angst adressieren. Wer Kontrolle und Transparenz schafft, kann den Ruhestand nicht nur finanzieren – sondern auch geniessen.
Disclaimer: Unsere Fachbeiträge sollen wichtige Finanzthemen verständlich und zugänglich machen. Dabei setzen wir auf eine unabhängige und objektive Aufbereitung der Inhalte. Trotz sorgfältiger Recherche und regelmässiger Aktualisierung können wir jedoch keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen übernehmen.