Wie unabhängig sind Finanzvermittler in der Schweiz? Mein Erfahrungsbericht
In der Schweizer Finanzwelt gibt es immer mehr «unabhängige» Vermittler und Vergleichsplattformen. Doch wie unabhängig sind sie wirklich? Als Anbieter von Finanzdienstleistungen habe ich mich bei vier Vermittlungsplattformen beworben und teile meine Erfahrungen. Mein Ziel: Anlegerinnen und Anlegern helfen, die Objektivität und Unabhängigkeit der Vermittler besser einzuschätzen.
Ich habe vier Vermittler unter die Lupe genommen:
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FinGuide – Vermittlung von Vermögensverwaltern für vermögende Kund:innen
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FinFinder – Matching-Plattform für Finanzplaner:innen
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Economico – Vergleichsplattform für Vermögensverwaltung
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Zwei Wealth – Vermittlung von Vermögensverwaltern und Banken
Wichtige Fragen meines Tests:
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Vergleichen diese Plattformen die Angebote seriös, einheitlich und objektiv?
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Steht die Leistung für die Kund:innen im Fokus oder doch eher wirtschaftliche Interessen?
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Wie transparent sind die Auswahlkriterien für die Finanzanbieter?
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Welchen Eindruck macht der Vermittler insgesamt?
Das Ergebnis
Die Erkenntnisse waren für mich teilweise überraschend.
Anbieter |
Geschäftsmodell |
Unabhängigkeit |
Produktangebot |
Economico |
Vergleichsplattform für und Vermittlung von Vermögensverwaltung |
Strikte Kriterien, keine wirtschaftlichen Anreize zur Bevorzugung |
Fokus auf Private mit > CHF 50'000 und Institutionelle mit > CHF 500'000 |
FinGuide |
Vermittlung von Vermögensverwaltern |
Strikte Kriterien, keine wirtschaftlichen Anreize zur Bevorzugung |
Fokus auf Kund:innen mit > CHF 500'000 Vermögen |
FinFinder |
Matching-Plattform für Finanzplanung |
Klare Trennung von wirtschaftlichen Interessen, feste Jahresgebühr für Berater:innen |
Fokus auf die klassische Finanzplanung |
Zwei Wealth |
Vermittlung von Vermögensverwaltern und Banken |
Auswahlkriterien nicht völlig transparent, keine Performance-Kontrolle, unterschiedliche Beratungsergebnisse |
Fokus auf Vermögensverwaltung |
1. Economico – Plattform für Anleger:innen
Economico ist eine Vergleichsplattform für Vermögensverwaltung. Sie hilft, die Angebote von Banken und Vermögensverwaltern zu vergleichen – insbesondere in Bezug auf Gebühren und Anlagestrategien (zum Beispiel passiv oder nachhaltig).
Meine Erfahrung als Finanzdienstleister:
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Klar strukturiertes Onboarding: Von Anfang an ist definiert, welche Informationen wie eingegeben werden müssen. So wird sichergestellt, dass die Angebote wirklich vergleichbar sind – insbesondere bei Gebühren und Performance.
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Datenüberprüfung: Alle Angaben der Anbieter werden zudem geprüft, um Verzerrungen durch eigene Berechnungslogiken zu vermeiden. Man merkt: Hier sind Profis aus der PK-Welt am Werk.
Fazit:
Ideal für alle, die selbst vergleichen und Kosten sparen wollen – aber auch wissen, was sie suchen.
Vorteile für Anleger:innen:
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Alle Gebühren werden klar dargestellt – inklusive Produktkosten.
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Einfach & gratis: Die Nutzung ist kostenlos.
Nachteile:
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Keine persönliche Beratung.
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Kontakt mit Kund:innen bleibt unverbindlich.
2. FinGuide – Strenge Selektion für vermögende Kund:innen
FinGuide richtet sich an Kund:innen mit mindestens 500'000 Franken Vermögen und hilft, die passende Privatbank oder einen Vermögensverwalter zu finden.
Meine Erfahrung als Finanzdienstleister:
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Seriöse und strenge Prüfung: Zwei Besuche, detaillierte Fragebögen, sorgfältige Prüfung, Anbieter müssen eine nachweisbare Erfolgsbilanz vorweisen.
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Konsequente Selektion: Wir wurden abgelehnt trotz guter Performance: Unsere Portfolios bestehen noch keine fünf Jahre, was eine Mindestanforderung ist.
Fazit:
FinGuide hält konsequent an seinen Kriterien fest und nimmt nicht wahllos Anbieter auf.
Vorteile für Anleger:innen:
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Strenge Prüfung und strikte Auswahlkriterien führen zu besseren Angeboten für Anleger:innen.
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Keine wirtschaftlichen Anreize zur bevorzugten Vermittlung, was die Unabhängigkeit erhöht.
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Fokus auf Zuverlässigkeit des Angebots.
Nachteile:
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Nur für Kund:innen mit höherem Vermögen relevant.
3. FinFinder – Matching-Plattform für Finanzplaner:innen
FinFinder bringt Privatpersonen mit passenden Finanzplaner:innen zusammen. Berater:innen zahlen eine feste Jahresgebühr, ohne zusätzliche Kosten für Leads oder Abschlüsse, was die Unabhängigkeit der Plattform fördert.
Meine Erfahrung als Finanzdienstleister:
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Seriöser Eindruck und Abklärungen: Strukturierter Onboarding-Prozess, professioneller persönlicher Kontakt, seriöse Abklärungen.
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Klarer Fokus: Eher für Vermittlung klassischer Finanzberatung als für Vermögensverwaltung geeignet.
Fazit:
Positiver Eindruck, aber für Vermögensverwaltung (wie Descartes) weniger relevant, deshalb haben wir den Onboarding-Prozess nicht abgeschlossen.
Vorteile für Anleger:innen:
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Direkter Zugang zu geprüften Finanzplaner:innen.
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Keine versteckten Gebühren.
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Vermittlung erfolgt nicht nach wirtschaftlichen Interessen (keine Erfolgsprovisionen).
Nachteile:
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Nur für Vermittlung klassischer Finanzplanung relevant.
4. Zwei Wealth – Mängel bei Transparenz und Kontrolle
Zwei Wealth, seit 2025 eine Tochterfirma der Swiss Life, vermittelt professionelle Vermögensverwalter. Anleger:innen definieren ihre Anforderungen, und Zwei Wealth schlägt passende Anbieter vor.
Meine Erfahrung als Finanzdienstleister:
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Keine Prüfung der Performance-Zahlen: Anbieter können beliebige Renditen angeben, ohne dass eine Kontrolle oder Plausibilitätsprüfung stattfindet. Auch wir wurden lediglich aufgefordert, die monatlichen Renditezahlen eigenständig einzutragen; Nachweise oder Belege wurden nie verlangt.
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Undurchsichtiges Bewertungssystem: Digitale Anbieter wie Descartes werden in der Gesamtwertung strukturell benachteiligt, da rund 50 Prozent der Bewertungskategorien auf sie gar nicht anwendbar sind. Eine gute oder sehr gute Gesamtnote ist dadurch faktisch ausgeschlossen. Eine nachvollziehbare Begründung für dieses Vorgehen wurde nicht geliefert – was die Objektivität und Fairness des Vergleichs deutlich infrage stellt.
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Unterschiedliche Beratungsergebnisse: Berater:innen arbeiten als Tied Agents (arbeiten auf eigene Rechnung), wodurch die Vergleichbarkeit erschwert wird.
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Blackbox-Verfahren: Zwei Wealth fordert Anbieter zur Einreichung von Anlagevorschlägen (RfPs) auf, gibt danach jedoch kein Feedback. Das lässt die Beteiligten im Dunkeln und wirkt wenig partnerschaftlich.
Fazit:
Aufgrund dieser Mängel bei Transparenz und Bewertung haben wir als Anbieter unsere Zusammenarbeit mit Zwei Wealth selbst aufgelöst. Wir konnten nicht sicherstellen, dass unsere Leistungen unter fairen und objektiven Bedingungen verglichen und vermittelt wurden.
Vorteile für Anleger:innen:
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Direkter Zugang zu vielen Vermögensverwaltern.
Nachteile:
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Unzureichende Prüfung der vermittelten Finanzanbieter.
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Fragwürdiges Bewertungssystem.
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Unzureichende Partnerbetreuung.
Schlussgedanke: Unabhängigkeit ist relativ
Viele Plattformen werben mit ihrer Unabhängigkeit, und tatsächlich leisten sie oft einen wertvollen Beitrag zu mehr Transparenz und finanzieller Aufklärung. Dennoch lohnt sich ein genauer Blick. Auch ohne Retrozessionen bestehen mitunter wirtschaftliche Eigeninteressen – etwa durch eigene Produkte oder Kooperationen (Affiliate-Programme). Das bedeutet nicht, dass diese Angebote weniger hilfreich sind, sondern dass Anleger:innen gut beraten sind, sich auch selbst ein Bild zu machen. Im grossen und ganzen tragen die unabhängigen Plattformen aber dazu bei, Finanzentscheidungen verständlicher und zugänglicher zu machen.